Interview mit VDVC-Mitgründer Norman Schlorke

Norman Schlorke, 19-jähriger Gamer und eSportler aus Karlsruhe, war in den vergangenen Monaten mediale Leitfigur der Gamer-Szene, denn er organisierte die ersten Demonstrationen unter dem Motto „Wir sind Gamer“ gegen die fortlaufende Kriminalisierung der Gamer-Community seitens der Politik. Mit Gründung des Verbands für Deutschlands Video- und Computerspieler (VDVC) professionalisiert sich nun eine Interessensvertretung für die gesamte Gamer-Community. Wir trafen Norman Schlorke auf der gamescom und wollten mehr wissen über ihn und den VDVC…

pirate-gaming.de: Hallo Norman, vielen Dank dass du dir für uns die Zeit nimmst. Bitte erzähle uns doch erst einmal was über deinen persönlichen Hintergrund. Wie bist du zum eSport gelangt, welche Rolle nimmt Gaming in deinem Leben ein?

Norman Schlorke: Erst mal ein freundliches Hi @ All!
Gaming hat für mich schon früh begonnen, ausprobiert hab ich Counter-Strike das erste Mal vor ca. 10 Jahren in einem Internetcafé in Rostock. Zu meiner Jugendweihe, also mit 14 gab es dann meinen ersten eigenen PC und damit begann die Zeit des aktiven Zockens. Als wenig später Internet dazu kam, konnte ich die Finger natürlich nicht von der Tastatur lassen und bin direkt ins Multiplayer-Gaming eingestiegen und hab in diversen Shootern die Server gerockt. Wobei… Damals war ich noch eher ein Noob.

 

pirate-gaming.de: Was macht eSport für dich besonders?

Norman Schlorke: eSport kennen gelernt hab ich durch die Leidenschaft zum Multiplayer-Gaming. Damals habe ich nach wenigen Monaten direkt einen eigenen Squad gegründet und bin damit dann ins Ligageschehen eingestiegen. Dieser Eifer, der die Leute packt, sobald es um einen richtigen Wettkampf geht, ist eines der wichtigsten Gefühle beim Zocken. Wenn man im Team auf den Server geht und das Match startet, sind alle von einer zur anderen Sekunde so zusammengeschweißt wie nie zu vor. Jedes Mal aufs Neue ist man eine Ge-meinschaft, die sich blind vertraut, weil jeder den Anderen braucht. Dieses Teamgefühl, diese Zugehörigkeit, lässt einfach Freude in einem entstehen.

 

pirate-gaming.de: eSport und Gaming allgemein gliedert sich in viele verschiedene Genres. Worin liegt der Reiz an Action-Spielen, speziell First Person Shootern?

Norman Schlorke: Actionshooter sind, wie der Name schon sagt, actionreich. Schnelles Handeln, kurze und impulsartige Reaktionen, die aber gut durchdacht sein müssen, machen Spiele wie Counter-Strike super interessant. Abseits davon gilt natürlich gerade beim aktiven Spielen also im eSport, in einer Liga oder überhaupt im Team ein hohes Maß an Disziplin und taktischen Überlegungen. Für mich kommt es bei Ego-Shootern auch gar nicht auf die Grafik an (deshalb auch leidenschaftlicher Spieler vom zeitlosen Klassiker CS 1.6), viel eher ist das große Ganze für mich so interessant.

 

pirate-gaming.de: Actionspiele stehen ja schon seit längerem in der öffentlichen Kritik. Doch hat es vor deinem Engagement keine vergleichbaren Protestaktionen auf den Straßen Deutschlands gegeben. Was hat dich dazu bewogen, in Form der Demonstration in Karlsruhe aktiv zu werden?

Norman Schlorke: Da ich seit Jahren aktiv in der Szene bin, auch unterschiedliche Genres (MMORPGs, Browsergames, Racing uvm) gespielt habe und unzählbar viele Stunden mit Gaming verbracht hab weiß ich genau was es heißt Gamer zu sein. Die Absagen der ersten IFNGs waren schon schockierend, speziell die in Stuttgart andererseits noch nachzuvollziehen. Ein Intel Friday Night Game in der eigenen Stadt zu bekommen, hat mich dann so endlos gefreut, dass die Absage entsprechend hart war. Da ich ein sehr offener und direkter Mensch bin, hab ich direkt in meinem Blog (den ich zu diesem Thema eröffnet habe) kurzerhand aufgefordert auf die Straße zu gehen. Tatsächlich kamen auch eine Handvoll Leute zum ersten Brainstorming das ich angeregt hatte.

 

pirate-gaming.de: Die mediale Hetzkampagne gegen Computerspiele wurde insbesondere aus der Politik angeheizt. Dennoch sah man bei den Demonstrationen zur Aktion Jugendkultur die Piratenpartei sowie einige Jugendverbände, darunter die Grüne Jugend. Wie viel Unterstützung erhaltet ihr aus der Politik insgesamt?

Norman Schlorke: Die Politik hat sich bei der ersten Demo ziemlich zurückgehalten. Da war offenbar noch nicht ganz klar, dass wir Spieler tatsächlich öffentlich auftreten würden. Einen Tag vor der zweiten Demonstration haben sich die Grünen dann offiziell via Pressemitteilung zu den Spielern in Deutschland bekannt, allerdings ist dies nur ein erster Erfolg. Die Beteiligungen diverser Jungparteien konnten wir nur begrüßen. Vor allem dass Demonstranten der Jungen Union und der JuSos erschienen sind, hat uns gefreut. Hier zeigt sich, dass nicht mal der Nachwuchs der großen Parteien dem Irrweg Richtung Spieleverbot folgt. Auch viele Redner auf den Kundgebungen der Demos waren Politiker. Insgesamt werden wir auf jeden Fall beachtet und gehört. Ob wir auch geachtet und erhört werden, wird sich noch zeigen müssen. Allerdings ist die Verbotsdebatte schon mal kein Wahlkampfthema, was zeigt, dass zumindest ein gewisser Respekt da ist.

 

pirate-gaming.de: Auf der Demonstration in Köln war die Beteiligung mit 200 Teilnehmern doch vergleichsweise ernüchternd, bedenkt man die Stellung von Köln als „eSport-Hauptstadt“ von Deutschland. Warum glaubst du, zieht es bisher nicht mehr Gamer auf die Straße, um für ihre Kultur zu protestieren?

Norman Schlorke: In Köln, aber auch in Berlin, war das Wetter miserabel. Außerdem ist es eher ein Grund nicht auf eine Demo zu gehen, wenn man bereits „eSport-Hauptstadt“ ist, schließlich gibt es regional gesehen keinen Anlass zu demonstrieren. Die Spieler mussten erst realisieren, wie realistisch ein Verbot ist. Und das mussten wir zum Glück bisher nur in Süddeutschland erleben, wo LAN-Partys und Turniere abgesagt wurden. Abgesehen von diesen speziellen Gründen glaube ich, dass wir mit einer strukturierteren Pressearbeit mehr hätten erreichen können, da haben wir viel gelernt. Allerdings darf man nicht vergessen, dass viele Gamer immer noch glauben, dass wir ja gar keine Probleme hätten und dass auch so „alles gut wird“. Aber das wird es halt nicht von allein. Und wir haben ja auch gezeigt, dass schon wenige Menschen viel bewegen können: Das erste Treffen zur Demo-Vorbereitung hatte eine Hand voll Teilnehmer.

 

pirate-gaming.de: Wie könnten Spieler noch besser als bisher mobilisiert werden?

Norman Schlorke: Mobilisierung von Spielern ist tatsächlich schwierig, aber das gilt auch für alle anderen Gruppen. Wichtig ist vor allem, dass die Leute merken, dass es ihnen etwas bringt. Natürlich ist eine Demo immer ein Erlebnis, unsere Gamer-Demos in Karlsruhe waren fast eine Party: Wir haben nicht nur unsere Parolen gerufen, sondern auch die Melodie von Tetris gesungen und wirklich viel Spaß gehabt. Aber das Erlebnis allein reicht vielen leider noch nicht. Vor allem, wenn es jetzt an die Vereinsarbeit geht. Daher müssen wir den Gamern etwas bieten, was sie sonst nicht bekommen. Damit sind wir ja mit den Backstage-Führungen bei der ESL auf der gamescom ja schon angefangen.

 

pirate-gaming.de: Als Interessensvertretung für Gamer hast du den VDVC (Verband für Deutschlands Video- und Computerspieler) mit gegründet. Wie kam es dazu und welche konkreten Ziele verfolgt der VDVC?

Norman Schlorke: Die Entstehung des Verbands lief die ganze Zeit über parallel zu den Demonstrationen. Einer der Hauptorganisatoren, Patrik Schönfeldt, ist auf mich zugekommen und hat mir davon erzählt. Natürlich war ich sofort dabei und hab neben der Organisation der Demos die bei der Gründung mitgemacht. Zu den Zielen gehört ganz klar, dass wir das Sprachrohr der Spieler in der Gesellschaft sein wollen. Wir bieten es den Gamern in Deutschland an, ihre Vertretung gegenüber Politik, Medien und natürlich auch der (Spiele-)Industrie zu sein. Konkret heißt das, dass z.B. bei der Organisation von Demos geholfen wird, wir offene Briefe mit sehr starken Wirkung schreiben können, Stellungnahmen im Namen von Gamern veröffentlicht werden können; und natürlich vieles mehr. Andererseits denken wir aber auch an die „Nicht-Spieler“! Die Themen Sucht, Jugendschutz, Spieleverbot und Aufklärung sind bei uns ganz groß geschrieben. Wir wollen das Gaming in Deutschland zu dem gesellschaftlich anerkannten Hobby machen, dass es ja eigentlich sein sollte. Beispielsweise werden wir auf der 2for1-LAN (2for1-lan.de) am 12. September Führungen über die LAN sowie einen Info-Abend zusammen mit den Veran-staltern NetQuarter e.V. und KSG9 e.V. durchführen. Eingeladen werden Politiker, Pressevertreter, Eltern, Lehrer und alle die gerne wollen.

 

pirate-gaming.de: Ihr habt auf der gamescom kräftig die Werbetrommel für den VDVC gerührt und habt von der ESL Unterstützung erhalten. Wie war die Resonanz bisher seitens der Gamer?

Norman Schlorke: Super! Dank der ESL bzw. Turtle Entertainment und einigen anderen, die uns diesbezüglich unterstützt haben, konnten wir spontan einen „VDVC Mini-Stand“ aufbauen. Nach wie vor ist bei 99,99% der Gamer die Reaktion mehr als positiv. Auf der gamescom selbst führte schätzungsweise die Hälfte der Gespräche mit den Leuten in der Nähe unseres Standes direkt zu einer Mitgliedschaft, oder die Leute haben unseren Flyer eingesteckt und wollten sich unsere Seite später nochmal genauer anschauen.

 

pirate-gaming.de: Wie schauen eure Zukunftspläne aus?

Norman Schlorke: Für uns ist ein wichtiger Punkt die Eintragung ins Vereinsregister. Leider lässt sich Bürokratie nicht vorantreiben und wir warten leider immer noch auf eine Rückmeldung vom Amtsgericht in Karlsruhe. Ansonsten werden wir wohl noch einige größere aber auch kleinere Beteiligungen und Aktionen in der Zukunft machen. Jetzt kommt erst mal die LAN-Führung. Dann wird dieses Jahr noch unsere Jugendschutzkampagne starten, an der Patrik gerade mit Vollgas arbeitet. Dank der sehr positiven Zusammenarbeit mit Turtle Entertainment (ESL) können und werden wir noch in der aktuellen Saison der ESL Pro Series auf Intel Friday Night Games vertreten sein. Natürlich gibt es noch einiges mehr… aber das werdet ihr dann bei Zeiten schon selber auf unserer Homepage sehen 🙂

 

pirate-gaming.de: Gibt es etwas, das du unseren Lesern zum Schluss mitteilen möchtest?

Norman Schlorke: An alle Gamer da draußen: Versteckt euch nicht hinter den Monitoren! Seid stolz, Spieler zu sein und zeigt anderen, wie viel Spaß unser Hobby macht. Genießt die vielen Stunden, die ihr beim Raiden, Zergen, Creepen, Gathern, Ballern oder einfach nur zocken verbringt! Wir sind Gamer! 🙂

 

Der VDVC wurde am 12.09.2009 gegründet und steht allen Gamern offen, die ihre Interessen gegenüber Politik, Medien und Gesellschaft vertreten wissen möchten. Die Mitgliedschaft ist kostenlos und kommt ohne Verpflichtungen einher.