„Killerspiele“: Eine neue Definition

Da es sich bei dem unter Demagogen sehr beliebten Wort „Killerspiel“ um eine künstliche Schöpfung aus dem Bereich politischen Neusprechs ohne tatsächliche Bedeutung handelt, hat sich die Süddeutsche Zeitung in einem Artikel vom 27. 10. darum bemüht den Grundstein einer sinnvollen Bedeutung zu legen.

In dem Artikel wird ein neues 300 Euro (plus Reisekosten) teures Seminarprogram des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes beworben, dazu fasst der Artikel das Seminarprogram eher locker zusammen und stellt fest, dass Computerspiele „Leistungskiller“ sind. Und damit steht denn auch bereits im Titel „Computer als Leistungkiller“ die Präzisierung der Kunstschöpfung „Killerspiel“ fest: „Leistungskillerspiel„. Mit diesem wohlklingenden Wort lassen sich endlich alle Arten von Computerspielen umschreiben, nicht nur jene mit einem erhöhten Actiongehalt.

Dieser neue Interpretation des allseits beliebten Kunstwortes darf jedoch eher wenig Interesse entgegen gebracht werden. Deutlich interessanter ist dagegen der gemäß der seminarbewerbenden Brochüre „Computerspielsucht“ zu vermutenden Inhalt des Seminars. Im Werbeprospekt wird mit Handfesten Zahlen die Weltuntergangsstimmung deutlich gemacht. Denn 2,7 Prozent der 15-Jährigen sind süchtig nach ihrem Computer, darüber hinaus sind über 3 Prozent gefährdet, davon gehören die meisten dem männlichen Geschlecht an. Imposante Zahlen, bereits im zweistelligen Bereich, sofern man das Komma zwischen der 2 und der 7 überliest. Nur, woher stammen diese Zahlen? Aus einer Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen. Angefertigt unter der Federführung von Christian Pfeiffer, ein nicht gänzlich unbekannter Name in der deutschen Gamer-Szene. Herr Pfeiffer ist bekannt für unter Spielern eher kontrovers diskutierte Studien und Ansichten, die sich überwiegend gegen den hohen Medienkonsum der heutigen Jugend richten. Ansichten, die in der Familie Pfeiffer durchaus verbreitet sind, Schwester Regine ist bereits durch ihre Anti-WoW-Vorträge und einem Fernsehbericht über Ihre Untersuchen zur WoW-Sucht in Erscheinung getreten.

So Sinnvoll die Beschäftigung mit dem Thema Computerspielsucht auch ist, Studien von Herrn Pfeiffer werden auch unter Wissenschaftlern eher kritisch beäugt, fällt er doch gerne durch die Vernachlässigung des Unterschieds zwischen Korrelation von Kausalität auf. Um es deutlicher zu formulieren, wenn Christian Pfeiffer die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, so trifft er nicht selten auf Unverständnis. Die Essenz seiner Studien lässt sich in Form von BILD-Schlagzeilen formulieren und ist bei genauerer Betrachtung selten besser belegt. Was angesichts seines Kreuzzuges gegen die modernen Medien aber nicht weiter verwunderlich ist.

Computerspiele als Leistungskiller“ prangert die Süddeutsche und der BLLV die gesamte moderne Welt als Schuldigen für die Verwahrlosung der Jugend an. Ohne abseits des eigenen Wegs nach Einflussfaktoren zu suchen wird eine Korrelation zwischen „Medienkonsum und Schulnoten“ festgestellt und prompt als Kausalität verkauft. Es stimmt durchaus, dass seit Jahren die Durchschnittsnoten der Jahrgänge schlechter werden. Freie Verfügbarkeit von Medien mag auch zu einem erhöhten Medienkonsum führen, wodurch es evtl. sogar zu einer reduzierten Menge an Zeit, die zum lernen aufgewendet werden kann, kommen mag. Aber es bleiben leider zwei wesentlich Fragen offen: Haben frühere Jahrgänge wirklich mehr Zeit für die Schule aufgewendet oder nicht doch fehlende Medien durch Fußballplatz, Wald und Wiese ersetzt? Warum entscheiden sich Schüler für kurzweilige Unterhaltung anstatt sich dem Stress des miserabel umgesetzten G8 auszusetzen oder Dinge zu lernen die Sie für das ausfüllen Ihres Hartz IV Antrages eh nie brauchen werden? Die Antworten auf diese Fragen bleiben uns sowohl die bayerischen Lehrer als auch Herr Pfeiffer schuldig.

Lässt man den pseudowissenschaftlichen Firlefanz der dem Reaktionismus anheim gefallenen Personen außer Acht bleibt dennoch die Problematik, dass es durchaus Jugendliche mit einem abnormal erhöhten Medienkonsum gibt. Diese mögen sich zwar beim Anblick der Broschüre denken, „Kann man von Red Bull sterben? — Klar! Wenn du ein Schwimmbecken damit voll kriegst und nicht schwimmen kannst.“, werden aber erst sehr viel später verstehen, dass Werbewirksame Eigenschaften von Spielen wie „Langzeitmotivation„, „Konkurrenzbetonte Spielmechanik„, „Unique Items“ oder „Charakterentwicklung“ im wesentlich nur eines bedeuten, übermäßiger Genuss kann zum Verlust der Körperhygiene führen. Oder direkter ausgedrückt: Spiele wie World of Warcraft sind explizit so gemacht, dass sie süchtig machen können. Insbesondere wenn man zu viel von ihnen konsumiert. Zwar hat schon Schiller gesagt: „Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“, aber zu viel ist schlecht. Zu viel Zucker macht dick und schädigt die Zähne. Zu viel Wasser wirkt wie Gift im Körper. Zu viel Schnappatmung lässt einen umkippen. Und natürlich wirkt sich auch zu viel spielen negativ aus. Wenn sich die Prioritäten in Richtung Unterhaltung und weg von sozialem Verhalten und Pflichten entwickelt, dann spricht man ab einem bestimmten Grad sogar von Suchtkrankheiten. Für Christian Pfeiffer und andere ist an dieser Stelle aber schon lange Schluss. Er kennt bereits von Anfang an das Problem und diagnostiziert einfach die passenden Symptome zusammen. Ob Eltern auch in Form von allein erziehenden Müttern mit zwei Jobs auftreten, die ihre Kinder seltener sehen als ihre Kollegen, oder (um noch ein letztes mal mit Vorurteilen zu spielen) allein erziehende Harzt IV Empfängern die ihrem Fernseher häufiger Aufmerksamkeit schenken als ihren Kindern, ist für Herrn Pfeiffer und Konsorten irrelevant.

Dennoch kann die Betrachtung der Symptom-Liste zur Früherkennung für Eltern von Interesse sein, sofern man den undeutlichen Grad zwischen Computerspielsucht und pubertärer Abgrenzung und Aufsässigkeit berücksichtigt.

Ihr Kind spielt immer häufiger und länger. – Es vernachlässigt andere Aktivitäten zugunsten des Computerspielens. – Streit oder Diskussionen entstehen, wenn das Spielen beendet werden soll. – Kontakte zu Freunden nehmen ab. – Computerspiele werden immer häufiger zum Gesprächsinhalt. – Ihr Kind beginnt heimlich zu spielen. – Ihr Kind fühlt sich unwohl oder wird unruhig wenn es nicht Computer spielen kann.