Mensa vs. Imbiss

Ich bin, wie ich schon in der einen oder anderen Anekdote verlautbaren hab lassen, ein genügsamer Mensch. Ich brauche nicht viel, um einem zufriedenen Lebenszyklus beizuwohnen und ich kann auch mal Wünsche zurückstellen, selbst dann, wenn ich etwas Bestimmtes haben wollte und es nicht gleich bekommen habe. Aber es gibt so Dinge im Leben, und das ist bei mir sicher nicht anders als bei Euch, da kann man einfach nur wahnsinnig werden.

Dienstags 12.30 in der Aachener Mensa I. Die mit Menschenmassen maßlos überfüllte Kantine wirkt wie auf einem Schlachtfeld. Studenten und Straßenarbeiter quetschen sich an die Tische, drängeln und schubsen, und versuchen den letzten Platz an einem schon voll besetzten Tisch zu ergattern. Okay, keiner isst gerne mit einem Anschnall-Tablett vor der Brust, damit das essen nicht herunterfällt, wir sind ja auch nicht in der Stressnation Japan. Dennoch fällt es den meisten schwer, sich an fremde Tische zu setzen und einfach so die Speise ihrer Wahl zu verputzen. Ob es nun am Futterneid oder an dem Geruch des ungeduschten Fettsacks im Jogginganzug mit Schweißflecken liegt, kann ich nicht genau sagen. Ich hätte zumindest hier nicht das Problem mich einfach hinzusetzen und zu essen. Gesagt – getan, ich stelle mich hinten an die etwa einhundert Meter lange Schlange, die sich auf dem Weg zum „Mensenbuffet“ quetscht.

Zka_Kolumne_X_DreckNach etwa zwanzig Minuten Wartezeit gelange ich an den Tablettständer. Immerhin sind noch ein Paar optisch Saubere vorhanden, dies genügt mir. Ob da nun desinfiziert wurde oder jemand vor mir schon mit seinen Wichsgriffeln… pardon? Keine Wichsgriffel? Okay dann eben Fottfingern… darauf herum gegrapscht hat, ist mir völlig schnuppe. Frei nach dem Motto: Dreck reinigt den Magen. So schnappe ich mir noch einen Teller, wische mit meinem T-Shirt die Wasserflecken vom Tellerboden und greife mir noch schnell im vorbeigehen eine Gabel und ein rostiges Messer ab. Mit dieser Kampfausrüstung lässt es sich leben. Wenn ich bedenke wie ich auf Lanpartys hause, ist das hier noch gesellschaftliche Oberklasse. Mit fettigen Fingern und Pizzaresten im Bart lässt es sich zwar spielen, sauber ist es aber nicht. Um am Folgetag darf man auch wieder die Maus duschen und die Tastatur absaugen. Pizza-4-Käse-Extra-Käse-Extra-Scharf-Extra-Knoblauch schmeckt halt sehr gut, und dann hat man ja auch nicht unbedingt die Zeit nochmal zum Klo zu rennen, um sich die Pfoten zu waschen. Wie dem auch sei, ich stehe immer noch in der Schlange. Von der Theke klingen laute Wortfetzen herüber: „Was soll der Scheiß“, „Sind wir hier inner Kläranlage?“ oder „Frisst dat auch deine Mudder?“. Ich bezweifele, dass es sich hier um Zank zwischen den Gästen dieser Mensa handelt. Die Menschen sind auch einfach nie zufrieden zu stellen. Nunja, ich warte einfach mal ab bis mich der Strom zur Theke geschwemmt hat.

Nach weiteren 5 Minuten Beine-in-den-Bauch-stehen ist es endlich so weit. Ich komme mit knurrenden Magen ans Buffet an. Doch was erblicken meine leidgeprüften Augen? Undefinierbare braune Kartoffelstreifen, Spaghetti mit einer seltsamen creme-braunfarbenenen Bolognesesoße. Verkohlte Hackbällchen mit einer Art Reis-Brühe, braune Prinzessböhnchen mit einem Kotelett, was nur so vor Fett trieft und ein Eintopf der mit den darin schwimmenden Knochen nach legalem Kannibalismus aussieht. Mahlzeit – mir dreht sich der Magen um. Während ich da stehe gehen mir hunderte Gedanken durch den Kopf: Holst du dir hier jetzt einen Tripper – STOP – wirst du hier gleich mit einem Testament als Rechnung verabschiedet – STOP – die nächste Nacht wird durchgehend auf dem Klo verbracht – STOPP… „STOP!“ Rufe ich. „Nee, dat haben wir hier nich, such dir wat anneres aus“, faucht mich die fette alte Frau von der Bedienung auf, die meinem Vorgänger mit bloßen Händen einen Schlag Reis auf den Teller klatscht und darauf mit ihren Würste…pardon, Fingern durch ihre kotelettfettigen Haare streicht. „Na wirds bald?“ Ich bin geschockt und mit dieser Situation absolut überfordert. Ich stelle mein Tablett ab und schleppe mich wortlos aus der Folterkammer. Keine Macht der Welt wird mich dazu bringen diesen Fraß herunterzuwürgen. Keine Macht der Welt wird es fertig bringen, dass ich da noch einmal essen gehe.

Ja okay, sagt was ihr wollt. Ich und genügsam? Von wegen. Von jetzt an wird es nur noch High-Society sein. Ab zu meiner Stamm-Wrap/Crêpe-Imbissbude. Da bekommt man wenigstens was Richtiges zwischen die Kauleisten. Kostet zwar mehr als Mensa, aber ich erspare mir den Gang zur Toilette. Imbiss Eins, Mensa Null!