Kein Gesetz entbindet von Verantwortung

„Krieg in deutschen Kinderzimmern“ Diese und ähnliche Phrasen leiten meist einen eher bescheiden recherchierten Artikel ein, der sich vor allem auf eines stützt: Mutmaßungen von vermeintlichen Experten. Die Korellation von Computerspielen und Gewalt sei demnach so logisch wie jene zwischen dem Rauchen und Lungenkrebs, wird da behauptet. Kids, die auf die gesellschaftlichen Barrikaden gehen, Verfall von Gehorsam, der Sitten und guten Bräuche – wie es bemerkenswerterweise schon in vorchristlichen Zeiten von griechische Philosophen beklagt wurde.

Dabei wird mit jedem Bericht, jeder Fernsehsendung, jedem Zeitungsartikel der sich mit dem Themengebiet der Computerspiele – insbesondere der sogenannten „Gewaltspiele“ befasst, deutlich, dass bereits die zweite Elterngeneration die Zeit und die Entwicklung verschlafen haben. Sie betrachten das, was sich vor ihren Augen abspielt zunächst mit der Ablehnung, die dem unbekannten gerne entgegen gebracht wird: „Das hat es zu unserer Zeit aber nicht gegeben“ könnte ein Satz sein, den ein Elternteil darüber denkt, vielleicht auch ausspricht. Und der vollkommen richtig ist, weil er zutrifft.

[…] Die Korellation von Computerspielen und Gewalt […] so logisch wie jene zwischen dem Rauchen und Lungenkrebs […]

Die Verbiedermeierung zeigt sich auch in der Reaktion vieler Eltern der APO- oder Brokdorf-Generation auf die Erkenntnis, das ihre „Engelchen“ in eine Spielwelt eintauchen, in der es durchaus gewaltbezogene Inhalte gibt, die grafische Darstellung erhalten – „Schrecklich“ und „Jugendgefährdend“ wurden die Inhalte gerufen, die man selbst nicht verstand, und auch heute wird das, was man nicht versteht – wie zu allen Zeiten – als Hexenwerk zum Scheiterhaufen getrieben.

Medienkompetenz ist das Schlüsselwort, denn an dieser Stelle fehlt es genau an dieser. Die Entwicklung der Netzgemeinschaft, bei der man ab den Geburtsjahrgängen ab 1980 aufwärts vom „digital native“, also dem „digitalen Eingeborenen“ sprechen kann, fand auf einer Ebene statt, die es in dieser Form noch nicht gegeben hatte – eine weltweite Community mit eigenen Werten, Umgangsformen und einer eigenen Sprache prägte sich vollkommen abseits des Mainstreams und mit nur marginalen Einflüssen aus Kommerz und anderen Populärkulturen. Und kein Gesetz, das eine Regierung erlassen kann, entbindet die Eltern dabei von ihrer Pflicht, sich selbst weiterzubilden und den Weg ihres Kindes zu begleiten, so einfach der Ruf nach der staatlichen Ordnung auch sein mag.

Portale wie die Computerspielberatung von Gerald Jörns, seines Zeichens Diplom-Pädagoge beschäftigen sich bereits seit geraumer Zeit mit der Thematik der fehlenden Anlaufstellen für Eltern und Jugendlichen gleichermaßen, die sich mit dem neuen (Die Neuartigkeit wird nach wie vor herausgestellt, wenngleich die Gamer bereits ihr drittes Jahrzehnt erleben, wird noch immer vom neuen gesprochen) Phänomen der Computerspiele beschäftigen und den Umgang damit zu schulen.

[…]in einer Gesellschaft, die bereits einen Anteil von über 50% im Bereich der über 50-jährigen hat, ist es nur gut und gerecht, diese Menschen aufzuklären […]

Dabei gilt vor allem das eigene Erlebnis, das gewinnen von eigenen Erfahrungen. Was tut mein Kind, was erlebt es dort, decken sich die Eindrücke, die mir die Presse vermittelt hat, weicht meine eigene Meinung davon ab? Der Kennenlerneffekt setzt auf Veranstaltungen wie der „Eltern-LAN“, die von der ESL in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für politische Bildung veranstaltet wird, sehr schnell ein und der kritische Blick wird vom nahezu verspielten Lächeln abgelöst.

Die kommende Elterngeneration wird die erste sein, die selbst mit den Medien, die die Kinder und Jugendlichen heutzutage konsumieren, aufgewachsen sind, die Jung-Pioniere des Internets, der Communities und der Gaming-Szene besitzen diesen natürlichen Umgang mit dem Internet, doch in einer Gesellschaft, die bereits einen Anteil von über 50% im Bereich der über 50-jährigen hat, ist es nur gut und gerecht, diese Menschen aufzuklären und die Vorbehalte, die oftmals mehr der Zeitschriftenauflage denn dem guten Journalismus geschuldet sind, aufzulösen und Fähigkeiten und Kompetenzen auszuprägen.