GDC Europe 2009 – Tag 1

Zwei starke Keynotes und interessante Informationen zu Kopier- und Jugendschutz erwarteten am ersten GDC-Tag die Besucher. Bei 25 Vorträgen in 5 verschiedenen Disziplinen der Spieleentwicklung begann die erste Game Developers Conference mit vollem Informationsprogramm.

Kopierschutz, Jugendschutz & Co.

Rüdiger Kügler :: WIBU Systems

Den Anfang machte Rüdiger Kügler, Diplom-Physiker und seines Zeichens Sales Director von WIBU Systems, einem Sicherheitsspezialisten für Softwareprodukte. Bei seinem Vortrag stieg er mit einem grundsätzlichen Vergleich verschiedener Verschlüsselungstechniken ein. Mit einem sehr bildlichen Vergleich stellte er die Sicherheit von 128bit-Schlüsseln heraus: Ist ein Verschlüsselungsstandard sicher gegen Exploits, so ist er faktisch nicht knackbar. Selbst bei Nutzung aller Computerressourcen der Erde würde eine Brute Force Attacke im Schnitt das 60-fache Alter des Universums in Anspruch nehmen. Aus dem Grunde nutzten auch wenige Cracker beim Knacken von Spielen derartige Attacken. Die Schwachstelle einer jeden Software läge darin, dass sie zur Nutzung entschlüsselt werden müsse. Der entschlüsselte Abdruck ließe sich dann mit den entsprechenden Tools aus dem RAM auslesen und so ein Spiel auch ohne gültigen Key entschlüsselt werden. Desöfteren sorgen auch nachlässige Implementierungen auf Anbieterseite für Sicherheitsprobleme. So habe die Lufthansa Passwörter unverschlüsselt in ihrer Datenbank gespeichert.

 

Im Bereich Gaming zeigte Herr Kügler im Gespräch mit Pirate Gaming einige Zukunftsvisionen auf. Während intrusive Systeme Spiele nur verlangsamen und allgemein den Spielspaß trüben würden, böte eine Dongle-Lösung maximale Sicherheit – dem Endkunden jedoch auch eine Reihe von Vorteilen. So könne der Nutzer ähnlich wie bei Steam sein Spiel auf beliebig vielen Computern ohne Aktivierungslimits installieren, jedoch nur eine Kopie simultan mittels USB-Dongle laufen lassen. Außerdem ließe sich z.B. über eine Zertifizierungsstelle der Dongle mit einer Altersfreigabe assoziieren. Dies würde es Shops wie z.B. dem Steam Store erlauben, sein gesamtes Produktportfolio auch online anzubieten und trotzdem die deutschen Jugendschutzauflagen zu erfüllen. Damit könnten deutsche Gamer wie in den USA auch das gesamte Angebot der Online-Distribution nutzen und gleichzeitig ihre Privatsphäre schützen, da selbst ohne die Angabe persönlicher Daten eine Altersverifikation möglich wäre.
Darüber hinaus könnte ein Dongle auch die Daten der Spieler selber gegen Cracker schützen, so z.B. bei Spielen mit Mikro-Transaktionen als Geschäftsmodell (vgl. Second Life).

Rentabel wäre ein derartiges Modell jedoch nur, sollten Publisher einen persönlichen Dongle pro Endkunde für ihr gesamtes Spielerepertoire anbieten, andernfalls würden die Kosten für den USB-Key den Preis für Spiele vollends sprengen, die sich mit 50 € für AAA-Titel ohnehin in einem sehr hohen Segment bewegen. Ob ein solches System tatsächlich vollständige Sicherheit im Sinne der Publisher bieten würde, müsste sich dann durch einen Realtest zeigen. Bei reinen Softwarelösungen war es bisher immer nur eine Frage der Zeit, bis ein Crack auf den Markt kam. Die politische Debatte um das Thema der freien Privatkopie wäre damit sicher auch nicht aus der Welt. Als interessantes Mittelweg-Konzept vergleichbar zu Steam könnten Dongle-Lösungen in Zukunft dennoch relevant werden, sollte sich erst einmal ein größerer Publisher dazu durchringen.

 

The future of gaming graphics

Eines der Highlights des Tages war die von CryTeks Geschäftsführer Cevat Yerli gehaltene Keynote zur Zukunft der Spielegrafik. CryTek wurde 2004 mit seinem Debüttitel „FarCry“ bekannt, der Außenareale in bis dahin unbekannte Größen hob. Yerli ging zunächst auf die Firmengeschichte ein und erzählte darin überraschenderweise nicht von großen Visionen. Die Einzigartigkeit der CryEngine entstand aus „Naivität“, da man sich rein auf die Konzeptarbeit stürzte und dabei technische Möglichkeiten in den Überlegungen ausblendete. CryTek konnte jedoch gerade durch das Ignorieren des restlichen Marktes eine derart revolutionäre Engine und die dazugehörigen intuitiven Entwicklertools erschaffen. Somit machte sich die Naivität bezahlt.

CryTek Panel :: The Future of Gaming Graphics CryTek Panel :: Cevat Yerli

Yerli ging auch auf die häufig geäußerte Kritik ein, seine Spiele würden bei Release nie ruckelfrei auf der neuesten Rechnergeneration laufen. Er begründete dies mit der Strategie von CryTek, dass der Spieler auf die Art in 5 Jahren noch ein altes Spiel auf einem neuen Computer installieren kann und dabei wieder neue Details entdeckt – da sich das Spiel erst dann auf voller Detailstufe genießen ließe.

Die neueste Weiterentwicklung – CryEngine 3 – führe zwar einige weitere grafische Rafinessen ein, fokussiere jedoch im Wesentlichen auf verbesserte Produktions-Workflows. So lässt sich nun das bewährte Prinzip „What you see is what you play“ im Level Design 1:1 auf Konsolen übertragen. Mit einem Knopfdruck aus der Sandbox kann ein Entwickler nun seine Levels auf dem PC, der Xbox360 und der PS3 testen.

Für die Zukunft prognostizierte Yerli einen Kollisionskurs von CPU und GPU, da diese sich in ihrer Architektur und Funktion immer mehr annäherten. So könnten Grafik- und Physikberechnungen in Zukunft noch effizienter zwischen beiden Prozessoren aufgeteilt werden. Grafisch gebe es mit aktuellen Methoden jedoch nur noch wenig Spielraum zu mehr Realismus hin. Künftige Spiele müssten sich stärker durch ihre grafische Stilistik, Physik und K.I. abgrenzen als durch Photorealismus. Für die nächsten 5 Jahre sah Yerli eine sukzessive Standardisierung der Bildschirmauflösungen hin zu Full HD, auch soll Stereoskopie (3D wie im Kino) in Spielen mehr und mehr Einzug halten. Für möglich hielt er ebenfalls, dass bei leistungsfähigeren PCs der Zukunft Point-based rendering / Raytracing für Spiele zum Einsatz kommen dürfte und die bisherige Polygon-Technik ablösen könnte. Bereits in 5 Jahren soll Spielegrafik an die Qualität von Ice Age 3 herankommen.

CryTek Panel :: Action game ban CryTek Panel :: Aufruf zur Mitzeichnung der Petition

Politisch wurde der CryTek-Chef zum Ende seines Vortrags: Er positionierte sich klar gegen die von der Innenministerkonferenz geforderten Herstellungs- und Distributionsverbote von Actionspielen in Deutschland. Nicht nur sei CryTek dann genötigt, den Standort Deutschland aufzugeben, auch werde deutschen Designern damit ihr Talent aberkannt in einem Kulturgut, das weltweit als sicherer Freizeitspaß angesehen werde. Er rief alle Teilnehmer dazu auf, sich an der E-Petition gegen Spieleverbote zu beteiligen, welche mittlerweile über 70.000 Mitzeichner gefunden hat.

 

The Remedy way

Die zweite Keynote hielt Matias Myllyrinne, Managing Director bei Remedy Entertainment, einem finnischen Independent Studio. Er beschrieb die Entwicklungsphilosophie von Remedy beim Schaffen von neuen, erfolgreichen Franchises und nutzte Max Payne sowie das neue Alan Wake als Fallstudien. Das wichtigste Kernmerkmal eines erfolgreichen Franchise sei seine Individualität. Man dürfe sich weder in Marketing noch Entwicklung auf bewährten Konzepten ausruhen. Diese mögen zwar durchaus wieder funktionieren, gingen aber aller Wahrscheinlichkeit nach im Wald der Me-Too-Produkte unter und würden nicht mehr vom Markt wahrgenommen.
Remedy setze besonders auf einen besonders prägnanten Protagonisten, was sich auch bereits im Namen des jeweiligen Franchises wiederspiegele. Myllyrinne zog hier Parallelen zu James Bond. Er kritisierte außerdem, dass zuviele Shooter zwar den Faktor Action angemessen herüber bringen, die Story jedoch häufig zu kurz kommt und nur flache Charaktere vorzufinden sind. Der Schlüssel zum Erfolg liege darin, den Spieler zu emotionalisieren und intellektuell zu fordern – was mit einem gedankenlosen Ballerspiel nicht möglich sei, zumindest nicht für den erfolgreichen Aufbau eines neuen Franchise.

Remedy Keynote :: Matias Myllyrinne Remedy Keynote :: Helden-Prototypen Remedy Keynote :: Keine Me-Too-Produkte

Bei Alan Wake habe man sich daher für das Genre eines Psycho-Thrillers entschieden und die Handlung atypisch in eine idyllische Ortschaft gelegt. Das Spiel biete zwar auch Action, kombiniere dies aber mit dem Feeling eines interaktiven Kinofilms von großem Format. Der Spieler selbst wird lange im Unklaren gelassen, ob der Protagonist Alan die mysteriösen Geschehnisse wirklich erlebt oder sich nur einbildet.

Die Besucher der GDC durften noch ein exklusives Preview des Spiels mit Kommentar eines Entwicklers sehen – womit Remedy eindrucksvoll seine zuvor genannten Thesen unter Beweis stellte. Die Dramaturgie und Atmosphäre des Spiels stand einem guten Psychothriller im Kino in nichts nach.

 

Am Rande notiert

  • Andre Beccu, Lead Designer bei Spellbound Entertainment, gab sein Know-How zum Thema Balancing zum Besten. In seinem Vortrag lernten Level- und Game-Designer, wie man den Spieler im „Flow“ hält, also einem ständigen Schwanken zwischen Phasen der Langeweile und Phasen der Frustration. Ein gut ausbalanciertes Spiel schwanke immer zwischen zumutbaren Grenzen beider Zustände als Spielerlebnis. Als herausragendes Beispiel für gutes Balancing nannte Beccu die Spiele der Half-Life Reihe von Valve und empfohl den Studenten, sich die Audiokommentare der Entwickler abzuhören, welche detaillierte Einblicke in gut durchdachtes Level Design bieten.
  • Nach der Übernahme von Macromedia entwickelt Adobe nun intensiv an Director weiter. Neu in der Version 11.5: Aktuelle Multimedia-Standards wie H.264 und 5.1 Audio werden unterstützt. Die Performance von Director-Anwendungen wurden mit 3D-Browsergames demonstriert, darunter ein Rennspiel ähnlich Mario Kart und sogar ein MMORPG. Mit einer Grafikpracht von Herr der Ringe Online konnten beide natürlich nicht mithalten, eine eindrucksvoll performante Präsentation gaben sie jedoch her. Laut Aussage der Adobe-Mitarbeiter vor Ort habe der benötigte Shockwave-Player einen Verbreitungsgrad von 60%. Damit liegt das Browser-Plugin deutlich hinter Flash (>90%), sei aber in der Gamer-Community weit verbreitet.
  • Mit der Mediadesign Hochschule und der Games Academy sind auf der GDC Europe auch zwei Bildungsträger für angehende Game Designer vertreten. Die Mediadesign Hochschule bietet einen Game Design Studiengang mit Abschluss als Bachelor of Arts an.
  • Stereoskopie hält nach 3D-Kinofilmen auch bei Games Einzug. Infinitec stellte seine Lösung vor, welche 3D-Spielen echte optische Tiefe verleiht.

Last modified on Dienstag, den 18. August 2009 um 22:35 Uhr