Bericht über den Mini-Medienkompetenztag im Kieler Rathaus

Am 19.2.2011 fand im Kieler Rathaus eine Infoveranstaltung zum Thema Medienkompetenz statt.Anwesende Aussteller und Redner waren u.a.: H19 Produktion, Kiel; Schnittpunkt e.V., Heide; Offener Kanal Schleswig-Holstein, Kiel; Aktion Kinder- und Jugendschutz e.V., Kiel; Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein; Frauen Sucht Gesundheit e.V., Kiel. Kernthema der Veranstaltung war das Aufzeigen von einem sinnvollen und verantwortungsbewussten Umgang mit Medien.  

 
Zu Anfang referierte Christa Limmer, vom AKjS (Aktion Kinder- und Jugendschutz e.V) mit dem Thema „Happy Slapping und E-Mobbing“. Wesentliche Aussagen waren in unseren Augen, dass Medien weder gut noch schlecht sind, sondern es auf die Anwendung dieser ankommt. Die Herabwürdigungen haben sich vom Schulhof ins Internet und auf das Handy verlagert. Diese sind nicht erst im Internet entstanden. Dort wird durch die scheinbare Anonymität die Hemschwelle der Jugendlichen gesenkt und ein geringeres Verantwortungsbewusstsein vermittelt. Für die Opfer entsteht das Problem, dass diese vor dem Mobbing im Internet nicht fliehen können, da die Daten immer präsent und einsehbar sind, wenn sie einmal veröffentlicht sind. Dadurch entsteht ein gewisser Kontrollverlust für die Opfer. Die Jugendlichen sind sich über die rechtlichen Folgen oftmals nicht im Klaren. Tatsächlich sind es oft sogar strafbare Handlungen. Wichtige Schlussfolgerungen sind, dass kriminelles und diskriminierendes Verhalten im Internet die selben Konsequenzen haben muss wie außerhalb des Internets. Medienverbote für Jugendliche sind keine Lösung des Problems und ein richtiger Umgang mit Medien sowie eine gewisse Medienethik muss an Jugendliche, sowie Erwachsene vermittelt werden.

Der zweite Vortrag von Dr. Boris Wita (Verbraucherzentrale Schleswig- Holstein) behandelte das Thema „Internetverhalten Jugendlicher und Heranwachsender“. Die im Vortrag benannten Daten gründen auf einer Studie der Verbraucherzentrale SH sowie dem IQSH. Dabei wurden Personen im Alter von 11-21 Jahren an 26 Schulen in Schleswig- Holstein befragt. An der Befragung nahmen 5594 Schüler von Haupt-, Real-, Berufs-, Gemeinschafts- und Gesamtschulen, sowie Gymnasien statt. Die Studie bezog sich u.a. auf die Erfassung der Höhe von Schäden durch Kostenfallen und wieviele Opfer die Forderungen bezahlten. Des Weiteren wurden die Jugendlichen bezüglich „illegal“ heruntergeladener Daten (Musik, Filme etc.) aus dem Internet und über ihren Umgang mit persönlichen Daten befragt. Interessant daran ist, dass von den befragten Jugendlichen 88,28% der Schüler in sozialen Netzwerken sind. Von diesen haben 33,9 % ein öffentliches Profil im Internet, auf welchen private Daten wie Telefonnummer, Adresse und weitere Kontaktdaten und auch Fotos einsehbar sind. Dabei sind Daten, die teilweise nicht mal mit den Eltern kommuniziert werden, öffentlich für alle Welt einsehbar. Von den befragten Schülern gaben 54,07% an, bereits Musik oder Filme aus dem Internet heruntergeladen zu haben. Nach Aussage von Dr. Boris Wita liegt die Dunkelziffer allerdings deutlich höher. Nach der Erläuterung der Methoden von Abzockfirmen folgten weitere Fallzahlen über Kostenfallen.

Alleine in Schleswig- Holstein haben nach Schätzungen der Verbraucherzentrale SH ca. 70.000 Schüler bereits eine Rechnung einer Abzockfirma bekommen. Von diesen zahlten ca. 12,95% die geforderte Summe. In Zahlen macht das für Schleswig- Holstein 1.203.923 € und hochgerechnet auf die Bundesrepublik 36.706.043 € finanzielle Schäden pro Jahr. Die Verbraucher werden durch Firmen und Anwälte immens unter Druck gesetzt. Eine Idee der EU, die sogenannte „Button-Lösung“ ist aus Sicht von Dr. Boris Wita keine Lösung des Problems. Wichtig ist auch die Datensparsamkeit in sozialen Netzwerken, eine „digitale Tätowierung“ ist zu vermeiden.

Ein weiterer Vortrag behandelte „Praxisbeispiele aus der Medienprojektarbeit“ von Fabian Tuschy der H19-Produktion. Die Idee hinter diesem Projekt ist, die Fähigkeiten von Jugendlichen und Kindern im Bereich audiovisuelle Medien, sowie bei kreativen Prozessen rund um die Erstellung von Projekten zu fördern. Folgende Projekte wurden vorgestellt: „Wir bringen Deine Idee auf DVD“ war ein Projekt für Schüler einer 7. Klasse in Neumünster. Die Schüler produzierten von der Tongestaltung, über redaktionelle Arbeiten, sowie Regie- und Filmschnitt alles in Eigenregie mit päd. Begleitung von Lehrkräften eine DVD. Dabei entwickelten sich Medienkompetenz, berufliche Orientierung, Kreativität und eine Stärkung der Klassengemeinschaft. Eine weitere Schulklasse beschäftigte sich in einem anderen Projekt mit der Arbeit in einem Tonstudio in Kiel- Mettenhof. Dabei hat sich nach diversen Workshops und Seminaren und viel Arbeit letztlich eine eigene Studio-Gruppe entwickelt, welche das Tonstudio nun eigenständig leitet und verwaltet. Vermittelt und gefördert wurden hier u.a. technische Kenntnisse, individuelle Stärken, KooperationsbeEin weiterer Vortrag behandeltereitschaft und Verantwortungsbewusstsein.

Der letzte Vortrag behandelte das Thema „Medienverbot oder Dauerdaddeln“. Diesen Vortrag hielt Uli Tondorf vom Offenen Kanal SH. Das besondere an seinem Vortrag war, dass er diesen als eine Art Quiz mit den Zuhörern hielt. Er stellte Fragen mit provokanten Antwortmöglichkeiten in den Raum und bat um Antworten. Diese Fragen zeigten eine große Bandbreite der alltäglichen Probleme der Eltern und Pädagogen mit den Medien. In der Diskussion kristallisierten sich folgende Erkenntnisse heraus:Die Zeit, die Jugendliche und Kinder für das Nutzen von Medien aufwenden, ist kein sicheres Indiz für eine Sucht. Vielmehr besteht Grund zur Sorge, wenn andere wichtige Dinge vernachlässigt werden (Schule, soziale Kontakte außerhalb des Internets usw.). Die Eltern sollten ein Interesse an den Tätigkeiten (wie z.B. an den Spielen ihrer Kinder) zeigen und evtl. sogar zusammen mit ihnen spielen. Eltern sollten sich die Frage stellen: Was spielt mein Kind überhaupt? Ist dieses Spiel oder der Film in diesem Alter schon geeignet? Kann man eventuell sogar über Alterskennzeichnungen hinwegsehen? Oder sollte man diese strikt einhalten? Hierbei kann es hilfreich sein, ein Spiel oder einen Film gemeinsam mit dem Kind anzuschauen. Man kann das Spiel/ den Film auch im Vornherein allein anschauen, um das Medium in Bezug auf seine Verträglichkeit für das Kind selbst beurteilen zu können. Des Weiteren können klare zeitliche Grenzen für die Nutzung mit den Medien eine Lösung für den maßvollen Umgang mit Medien sein. Absprachen sollten nur zusammen mit dem Kind, nicht über es hinweg getroffen werden. Filterprogramme können höchstens ein schützendes, aber auf keinen Fall ein erziehendes Mittel sein. Eltern können und dürfen sich nicht alleine auf Filterprogramme verlassen, sondern müssen auch die Medienkompetenz des Kindes stärken. Dabei ist auch zu bedenken, dass Filterprogramme nur auf dem PC, welcher sich zu Hause befindet, installiert sind und nur dort wirken können. Dies ist bei Rechnern von Freunden, Handys, Internetcafés usw. nicht der Fall. Eine gemeinsame Beschäftigung mit dem Familien- Rechner könnte eine gemeinsame Beziehung zu den Medien aufbauen. Wenn nicht genügend Kenntnisse vorhanden sind, kann man auch gemeinsam Medienkompetenz entwickeln.Hervorzuheben ist, dass Vertrauen in die Medienkompetenz des Kindes essentiell für ein Zusammenleben mit Medien im Alltag ist. So sollten Eltern nicht die sozialen Netzwerke ausspionieren, oder in Chats mitlesen, sondern dem Kind vertrauen. Wichtiger ist es, dem Kind eine Anlaufstelle für Probleme mit Medien zu bieten und auf dieses zuzugehen.

Es gibt keine Pauschallösung für Medien. Unser Fazit der Veranstaltung ist, dass die Vorträge überraschend ausgewogen waren. Es bestand die Befürchtung, es könne eine sehr einseitige und medienfeindliche Veranstaltung werden, jedoch wurden wir positiv durch das Aufzeigen von einem ausgeglichenen Abwägen der Chancen und Risiken der Medienkultur überrascht. Die dort präsentierten Initiativen und Vereine zeigten uns interessante Ansätze, wie Medienkompetenz vermittelt werden kann. Wir empfehlen allen Lesern, ähnliche Veranstaltungen in der Nähe zu besuchen, wenn sich die Möglichkeit ergibt, um sich selbst ein Bild zu machen. In Anbetracht der Tatsache, dass es auch Veranstaltungen mit weniger objektiver Betrachtung der Thematik gibt, sollte ein Besucher diese mit offenen Augen besuchen.

Alexander Bühner, Beisitzer im Landesvorstand des LV SH
(Mitlglied im Pirate Gaming e.V.)